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Schönheitsideale im Iran: ein Rückblick

Um einen Einblick auf den Verlauf der iranischen Schönheitsideale geben zu können, reisten wir in die Zeit zum Ende des 18. Jahrhunderts und arbeiteten uns in drei weiteren Schritten bis zur heutigen Gesellschaft Irans vor. Allerdings reicht die iranische Geschichte noch weiter zurück, nämlich bis ins Jahr 4000 v. Chr., aber in diesem Kontext reicht bereits ein Blick in die aktuelle Geschichte, um die Differenzen und Gemeinsamkeiten zu den Schönheitsidealen in der westlichen Welt und den persischen Idealen zu jener Zeit deutlich hervorheben zu können.

 

Kadscharen Dynastie

Das Mädchen und Papagei,
Ende 19. Jahrhundert,
Künstler unbekannt

Die Dynastie der Kadscharen herrschte von 1794-1925 über Persien. In dieser Zeit hatte es Persien mit einer Reihe von Kriegen gegen Russland, Großbritannien, religiösen Aufständen und einem vom Westen gestützte konstitutionelle Revolution zu tun. Das Ende der Kadscharen Dynastie beginnt mit der Besetzung Persiens durch russische und britische Truppen im Jahre 1921 und der Ernennung des späteren Schahs Reza Khan zum Kriegs-, Finanz- und schließlich Premierminister. Durch die Machtverschiebung hin zum Parlament wurde im Jahre 1925, entschieden die Kadscharendynastie abzusetzen und stattdessen Reza Khan zum Schah zu ernennen. Die Kadscharen herrschten knapp 130 Jahre über den Iran. Ungeachtet dieser stürmischen Phase in der iranischen Geschichte, ging das Leben in der Bevölkerung weiter und somit auch das Streben nach Idealen.
Seit den Anfängen der Khadscharendynastie bis Mitte des 19. Jahrhunderts war das Schönheitsideal geprägt durch die persische Kunst, Literatur und Religion. In dieser wurden die Geliebten der Künstler und Poeten oftmals mit der Schönheit der Sonne und des Mondes verglichen. So war es nicht verwunderlich, dass zu der Zeit Frauen mit rundem Gesicht und fülligeren Körperformen Sinnbild für Schönheit und Gesundheit waren. Auch die Blässe des Gesichts war ein Schönheitsmerkmal, der viel Zuspruch fand und den Schein des Mondes bzw. der Sonne symbolisierte. Dunkle Haare hoben das runde, weiße Gesicht hervor und wurden oft mit dem Schein des Mondes in der Dunkelheit verglichen. Auch galten zusammengewachsene und gebogene Augenbrauen als Schönheitsmerkmal.

 

 

Ende 19. Jahrhundert
Künstler unbekann

In einem Gedicht von Saadi wird die Schönheit der weiblichen Augenbrauen folgendermaßen beschrieben:

Gedicht: „Die Form ihrer Augenbrauen ähnelt einem Bogen und ihre Haltung einem Pfeil. Noch nie sah ich jemanden mit solch einem Pfeil und Bogen.“
Als weiteres Schönheitsmerkmal galt eine zierliche Nase, schmale, kleine Lippen und besonders große, mandelförmige Augen Auch der Schönheitsfleck, der sich später bei Schauspielerinnen und Fotomodells, wie Marilyn Monroe, Cindy Crawford, Madonna, Janet Jackson und Brigitte Bardot wiederfand und als Schönheitsmerkmal auch heute akzeptiert ist, galt damals schon bei den Iranern als Schönheitsmal und wurde, wenn nötig, künstlich aufgemalt.
Ein Hinweis darauf, woher und aus welcher Zeit diese Schönheitsideale entstammen könnten, zeigen 5000 Jahre alte archäologische Funde. Diese alten Statuen zeigen, einige der eben beschriebenen Merkmale, wie die gebogenen und zusammengewachsenen Augenbrauen und die großen Augen.

 

 

Fotograf :
Antoin Sevruguin

Im zweiten Teil der Kadscharendynastie und mit den verlorenen Kriegen gegen die Russen und Briten erhielt auch der westliche Lebensstil und deren Ideale Einzug in die iranische Gesellschaft. Zwar behielten die Frauen ihre kulturtypischen Schönheitsideale bei, aber der Kleidungsstil wandelte sich, so dass der westliche Einfluss immer mehr zum Vorschein kommt. Jedoch erkennt man diesen Wandel eher bei der Oberschicht.

So hat Antoin Sevruguin (1830 – 1933) als einer der ersten Fotografen der Kadscharendynastie und im Auftrag von Nasir al-Din Schah das Leben auf dem königlichen Hof fotografisch dokumentiert. Dabei entstand das Bild mit dem iranischen Mädchen, dessen Outfit an eine Ballerina erinnert. Möglicherweise ist das ein modisches Souvenir aus Russland, welches der Schah für seinen Harem nach seiner Reise mitbrachte. Dies sollte die iranische Mode in den kommenden Jahren maßgeblich beeinflussen. Immer mehr Frauen zogen einen kurzen Rock auf einer langen Hose an, welches in der Öffentlichkeit mit einem Tschador verhüllt wurde.

Pahlavi Dynastie

Nach der Absetzung des Kadscharenschahs begann 1925, durch das Parlament beschlossen, die Pahlavidynastie und Reza Khan wurde zum Schah ernannt. Durch die immer größeren iranischen Ölfunde und dem bereits vorhandenen Einfluss britischer und russischer Mächte, stieg in den folgenden Jahren auch der Einfluss des Westens auf die iranische Gesellschaft. Es ging sogar soweit, dass 1929 westliche Kleidung bei Männern vorgeschrieben wurde. Sie sollten sich an Anzüge und Krawatten und den berühmten Pahlavi-Hut gewöhnen, um den neuen ausländischen Investoren und Arbeitgebern im Land ein gewohntes und einheitliches Bild zu liefern. Einzige Ausnahme galt den Geistlichen, die weiterhin ihre islamischen Gewänder und Turban tragen durften.
Als Reza Schah 1934 nach seiner Türkeireise in den Iran wiederkehrte – damals wurde die Türkei unter dem Präsidenten Mustafa Kemal Atatürk regiert, der sich u.A. damit einen Namen gemacht hat, dass er die islamische Regierungsform abgeschafft und durch weitreichende gesellschaftliche Reformen einen neuen Staatstypus geschaffen hat – wuchs in ihm die Idee heran, dass die Religion für den Fortschritt des Landes hinderlich ist und sprach zu seinem Premierminister Mahmood Jam im Jahre 1935:

„Seit knapp 2 Jahren lässt mich dieses Problem nicht mehr los, insbesondere seit meiner Reise in die Türkei, wo ich ihre Frauen sah, die keinen Hijab mehr hatten und neben den Männern am Fortschritt des Landes arbeiteten. Seitdem hasse ich verschleierte Frauen. Der Tschador (Schleier) ist der Feind des iranischen Fortschritts. Es ähnelt einem Pickel, den man mit Vorsicht entfernen muss. “

Aus einer Idee wurde im Januar 1936 ein Verbot, das den Frauen untersagte sich in der Öffentlichkeit zu verhüllen.  Viele religiöse Frauen waren dadurch gezwungen das Haus nicht mehr zu verlassen, um nicht gegen ihre Überzeugungen zu verstoßen. Das westliche Schönheitsideal wurde nach und nach fast komplett von den Iranern übernommen. Nur noch die landestypischen Haar- und Augenfarben ließen auf die iranische Herkunft schließen Reza Shah, der sein Land von Grund auf reformiert und zu grundlegenden Verbesserungen des iranischen wirtschaftlichen Wohlbefindens beigetragen und sogar einen neuen Vertrag mit den APOC (anglo-Persian Oil Company) zu Gunsten des Irans erreicht hatte, musste nach der anglo-sowjetischen Invasion im Jahre 1941 abdanken und den Thron seinem Sohn Mohammad Reza Pahlavi überlassen. Bis zum Ende des 2. Weltkriegs war der Iran unter der Kontrolle der alliierten Mächte.

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