Schönheit ist ein Phänomen, mit dem sich die Menschheit seit Jahrtausenden, wenn nicht sogar seit Menschengedenken, beschäftigt. Schon in der Steinzeit meißelten die Menschen ihr Verständnis von der Schönheit eines Frauenkörpers in Stein, wie beispielsweise die Venus von Willendorf zeigt.
Oder viel später im 14. Jh. v. Chr. anhand der Statue von Ägyptens Nofretete, die auch heute als Sinnbild des Schönheitsbegriffes gilt (Abb. 2). Jedoch bezieht sich der Schönheitsbegriff nicht nur auf die körperliche Erscheinung des Menschen, sondern spielt in fast jeder Alltagssituation eine zentrale Rolle. Sei es nun beim Frühstück der schön gedeckte Tisch oder die schöne Musik bei der Fahrt zur Arbeit. Aber nur weil der Begriff allgegenwärtig ist und meistens korrekt verwendet wird, bedeutet es nicht, dass man ein bewusstes Verständnis von der Bedeutung der Schönheit hat.
Wir beschäftigen uns im Folgenden mit der Begrifflichkeit von Schönheit aus der Perspektive von Künstlern und Philosophen.
Ästhetische Kunst der „alten Griechen“
So war es auch bei den „alten Griechen“, die das Wort „schön“ meistens mit anderen Eigenschaften assoziierten. So erzählte Hesoid, ein alter griechischer Dichter, dass bei der Hochzeit von Kadmos und Harmonia in Theben zu Ehren der Brautleute folgendes gesungen wurde: „Wer schön ist, ist lieb, wer nicht schön ist, ist nicht lieb. (Hotti kalón, philon esti)“.
In der Tat hatten auch die alten Griechen bis zum 5. Jh. v. Chr. keine klare Vorstellung von der ästhetischen Schönheit. Erst im Zeitalter des Perikles, einer der führenden Staatsmänner Athens, erreichte die künstlerische Entwicklung Griechenlands ihre Blütezeit. Durch den Wiederaufbau der zerstörten Tempel, nach den Kriegen mit Persien, demonstrierte Perikles die Macht und Stärke Athens, in dem er bei der Errichtung neuer Gebäude auch auf deren architektonischer Schönheit besonderen Wert legte. Dadurch gewährte er den Künstlern freie Hand, um ihre Ideen beim Wiederaufbau der Gebäude mit einfließen zu lassen. Dieses Vorhaben – sowie der gleichzeitige Fortschritt in der technischen Entwicklung – katapultierte die griechische Kunst in eine neue Dimension. Der zu dieser Zeit entstandene klassische Stil der griechischen Kunst brachte bei den Bildhauern beispielsweise die Unterscheidung des Stand- und Spielbeins bei Statuen hervor und eröffnete dadurch neue Möglichkeiten, Schönheit auszudrücken.
Die aktive Auseinandersetzung mit dem Begriff der Schönheit in den darstellenden Künsten hatte also ihre Anfänge in der griechischen Klassik.
In der Philosophie
Sokrates und Platon

Ycocedron abscisus solidus
Leonardo da Vinic,
>> Ycocedron abscisus solidus << und
>>Septuaginta duarum basium vacuum<<,
Die regelmäßigen (Platonischen) Körper,
aus: Luca Pacioli, De divina proportione,
Venedig 1509
Mailand, Biblioteca
Ambrosiana
Fast zeitgleich mit der aktiven Auseinandersetzung der bildenden Künste mit der Schönheit beschäftigten sich auch Philosophen des alten Griechenlands mit dem Phänomen der Schönheit. So unterschied Sokrates mindestens drei ästhetische Kategorien:
- die ideale Schönheit, die die Natur durch die Zusammensetzung ihrer Teile darstellt
- die geistige Schönheit, die die Seele durch den Blick ausdrückt, und
- die nützliche, funktionale Schönheit
Als Schüler von Sokrates erweiterte Platon die Idee der Schönheit und beschrieb sie als Harmonie und Proportionen der Teile (abgeleitet von Pythagoras). Zudem fasste er Schönheit als Glanz auf.
Für ihn besitzt die Schönheit eine autonome Existenz, unabhängig vom physischen Träger. Dies bedeutet, dass sie nicht an wahrnehmbare Objekte gebunden ist, sondern ihren Glanz überall verbreitet und deswegen Schönheit nicht nur das ist, was man sieht. So war beispielsweise Sokrates für seine Hässlichkeit berühmt, aber dennoch wegen seiner inneren Schönheit für Menschen sehr anziehend.
Die wahre Schönheit zu erkennen ist, laut Platon, nur denjenigen Menschen vorbehalten, die sich mit der Philosophie auseinandersetzen und dadurch die Macht über ihre sinnlichen Wahrnehmungen wiedererlangen. Auch deshalb vertrat Platon die Meinung, die Kunst, als Abklatsch der Schönheit, als Schulfach zu verbannen und stattdessen durch die Schönheit der geometrischen Formen zu ersetzen, die auf der Lehre der Proportionen und der Mathematik basiert.
Kant
In dem Werk „Kritik der Urteilskraft“ kommt Kant zu dem Schluss, dass das ästhetische Urteil auf das subjektive Empfinden des Gefallens oder der Abneigung zurückzuführen ist. Daraus kann man ableiten, dass das Schöne nur das ist, was uns persönlich gefällt, also angenehm ist. Jedoch führt Kant weiter aus, dass trotzdem zwischen dem angenehmen und dem ästhetischen Urteil ein Unterschied existiert.
Denn das Angenehme ist das persönliche Empfinden und ist allgemein auch als persönliches Empfinden akzeptiert. Aber im Gegensatz dazu sind ästhetische Urteile, trotz ihres
subjektiven Ursprungs, allgemeingültig bzw. haben Anspruch auf Allgemeingültigkeit. So werden ästhetische Urteile meistens wie wahre Aussagen formuliert, die nicht auf ein subjektives Empfinden schließen lassen. Schönheit hat daher, so Kant, einen Anspruch auf subjektive Allgemeinheit.
Diese Argumentation basiert auf der Grundlage der Abgrenzung zwischen dem Guten, dem Angenehmen und dem Schönen. So definiert Kant das Gute als etwas, an dem wir ein motiviertes Interesse haben. Ob etwas gut ist, unterliegt wiederum unserer eigenen Entscheidung.
Etwas Angenehmes ist für uns anziehend, zugleich ist das Unangenehme abstoßend. Auch hier unterliegt die Unterscheidung des Angenehmen und des Unangnehmen unserer Empfindung.
Das Gute, das Schöne und das Angenehme beruhen aber alle auf unserer persönlichen Empfindung des Wohlgefallens. Jedoch ist das Schöne, ungeachtet unseres Interesses an dem Schönen, also an dem schönen Objekt zu beurteilen. So wird nämlich verhindert, dass beim Urteil über das Schöne, dass persönliche Interesse am Objekt, zur Beeinflussung des Urteilsvermögens beiträgt.
So formulierte Kant die Definition der Schönheit als „interesseloses Wohlgefallen“.
Schönheit im Verlauf der Menschheitsgeschichte
Bevor sich Philosophen mit dem Begriff der Schönheit und Künstler mit der Abbildung der Schönheit befasst haben, wurde Schönheit durch Epochen und Kulturen geprägt. Im folgenden Kontext befassen wir uns jedoch nicht mit der inneren Schönheit, so wie es Sokrates und später Platon formulierten, sondern mit an Objekten gebundene, physisch wahrnehmbare Schönheit.
Wie bereits in der Einleitung beschrieben, ist Schönheit ein subjektives Empfinden, welches sich durch ihre kulturelle und epochale Umgebung jedes Mal neu definiert. Wegen des individuellen Empfindens über die Ästhetik eines Objekts, kann es keine allgemeingültigen Schönheitsideale geben, die Epochen überdauern und Kulturgrenzen aufheben und von jedem Menschen gleich empfunden werden. Viel mehr kehren Schönheitsideale mit anderen Akzenten zeitversetzt und in Kombination mit anderen Schönheitsmerkmalen zurück und gelten meistens wieder nur für jene Epoche bzw. Kultur.
Schönheitsideale in verschiedenen Epochen und Kulturen
Gewicht und Körperformen als Schönheitsmerkmale, sind ein gutes Beispiel für die wiederkehrenden Ideale. Statuen und Portraits von Frauen aus verschiedenen Epochen und Kulturen lassen erkennen, dass sich das Schönheitsideal des Frauenkörpers im ständigen Wandel befindet.
FrÜhgeschichte – vor 25.000 Jahren
Die Frühgeschichte ist eine Periode in der Menschheitsgeschichte, die sich mit Kulturen der Menschheit jener Zeit befasst, über die man durch archäologische Grabungen und durch erste schriftliche Aufzeichnungen Erkenntnisse gewonnen hat.
An prähistorischen Fundstätten in Eurasien wurden Zeichnungen, Gravuren und Statuen aus Stein oder Elfenbein gefunden, die den Körper einer Frau für damalige Möglichkeiten sehr detailgetreu darstellen. Die meisten Abbildungen stellen Frauen mit üppigen Brüsten, breiten Hüften und einem prächtigen Bauch dar, die im Kontrast zu meistens sehr zierlichen Armen stehen. In der Abbildung 7 sieht man die „Venus der Höhlen“ mit erwähnten Schönheitsmerkmalen.
Antike
Die Antike, (lat. : antiguus = „alt, altertümlich“) wird im Folgenden die Epoche des Altertums im Mittelmeerraum bezeichnet. Sie reicht von der Zeit zwischen 1200 v. Chr. bis 600 n. Chr. Die Antike der nahöstlichen Hochkulturen Ägyptens, Persiens und Kleinasiens werden an dieser Stelle noch nicht behandelt.
Die Antike hatte großen Einfluss auf den Verlauf der Weltgeschichte. Viele bekannte Philosophen, Staatstheoretiker und Künstler entstammen jener Zeit. 8 Auch die ersten theoretischen Erklärungsversuche des Schönheitsbegriffs fanden ihren Anfang in der Antike.
Im Gegensatz zu der Frühgeschichte hat sich in der Antike die Vorliebe zur Fülligkeit der Frauenkörper zur Vorliebe der gemäßigten Körperfülle gewandelt. Das Schönheitsideal der Frauen war es jetzt weder zu dick noch zu dünn zu sein. In der griechischen Klassik empfand man einen fetten Bauch als unschön und es galt als Zeichen der Verweichlichung. Zwar war Fettleibigkeit kein ausgesprochenes Schönheitsmerkmal mehr, aber es galt immer noch als Zeichen des Wohlstands und fand daher weiterhin großen Zuspruch.
Die klassischen Statuen, wie die Venus von Milo
(Abb. 8), zeigen, was in der Antike unter gemäßigter Körperfülle verstanden wurde. Es entspricht in etwa dem heutigen Verständnis vom normalen Körpergewicht. Charakterisierend für das Verständnis eines schönen Frauenkörpers waren der eher kleine Busen und das kräftige Becken.